Experiment: Wir bauen uns einen Chatbot

Wer einen Chatbot bauen will, denkt primär ans Programmieren. Das ist aber bloss die halbe Miete – genauer gesagt die zweite Hälfte. Herz des Projekts sind Konzept und Struktur. Was es dazu braucht, lernst du am besten beim Tun.

Dieser Artikel wurde am 14. Mai 2018 bei tinkla.com erstmals veröffentlicht. 

Über Sinn und Unsinn beim Einsatz von Chatbots gehen die Meinungen schon länger auseinander. Letzten Herbst habe ich für HR Today einen Kommentar geschrieben dazu, für wie vielversprechend ich Chatbots im Recruiting halte (tl;dr: vorderhand so gut wie gar nicht). Dennoch entwickeln sich die Möglichkeiten von dialogischen Schnittstellen rasant weiter; es lohnt sich, als Fachperson in der digitalen Kommunikation eine begründete Meinung dazu zu entwickeln. Dabei sollte man meines Erachtens mehr mitbringen als eine blosse Zuschauer-Perspektive. Darum: Bau dir einen Chatbot-Prototypen.

Das geht schneller, als du denkst. Dein Bot wird nicht alle Dinge können, die du dir wünschst, er wird nicht perfekt sein und nicht für die Ewigkeit. Aber er wird funktionieren und du wirst eine Menge dabei lernen. Und wenn du damit fertig bist, wirst du eine qualifizierte Vorstellung davon haben, ob und wie dein Unternehmen Chatbots einsetzen könnte und was dazu alles nötig sein wird.

Dein Einsatz: zwei bis drei Tage Ressourcen und 250 Franken Budget, falls du zahlende Optionen des empfohlenen Tools im Feldtest ausprobieren möchtest.
Mein Einsatz: Eine Anleitung, eine Tool-Empfehlung und ein Beispiel.

Die Frage aller Fragen: Wozu ist das gut?

First things first: Viele Ideen – auch wilde – sind eine gute Sache. Der erste und wichtigste Prüfstand für jeden Einfall ist aber: Wozu ist das gut? Setze dich also hin und überlege dir: In welchem Teilprozess deiner digitalen Kommunikation könnte eine Dialogschnittstelle den Benutzer, die Benutzerin schneller zum Ziel führen als bisher.

Beispiel: Wenn dein Unternehmen Weiterbildungsveranstaltungen anbietet, könnte ein Bot die wichtigsten zwei Parameter für ein passendes Suchergebnis effizienter abfragen, als die Navigation der Interessentin auf der Website verläuft? Würde die prominente Platzierung einiger FAQ zu einem aktuellen Thema euch Supportanfragen ersparen? Du kommst vermutlich auf mehrere Ideen; entscheide dich für jene, die dir am nützlichsten erscheint für jemanden, der den zukünftigen Bot benutzen wird.

Wenn du dich für ein sehr umfangreiches Gebiet entscheidest, versuche es auf einen schlüssigen Teil einzugrenzen, den du in Eigenregie in einer Dialogstruktur abbilden kannst. Wenn deine FAQ 35 Fragen umfassen, der Themenbereich «Warenrücknahme» aber nur fünf, nimm dir den Teilbereich vor. Zuviele lose Enden machen es dir nur schwerer.

Bauen ohne Programmieren

Weil die wenigsten von uns nebenamtlich auch noch Programmierer ist, machen wir uns das einfacher und verwenden einen Chatbot-Editor. Ich empfehle dir, landbot.io zu benutzen; die Plattform ist vergleichsweise intuitiv und es gibt kostenlose Sandbox-Accounts für den Start. Zahlende Abos gehen von 24 bis 160 Dollar monatlich, je nachdem auf welche Plattformen dein Chatbot überall ausgespielt werden soll und was du sonst noch alles brauchst. Aber fürs Experiment reicht der Sandkasten-Modus erst mal völlig aus.

  1. Erstelle dir einen Account bei https://landbot.io
  2. Nach dem Login, schau dich erst mal in Ruhe um. Du kannst direkt einen neuen Bot-Entwurf öffnen, wenn du durch Ausprobieren herausfinden willst, wie der Werkzeugkasten funktioniert. Alternativ gibt es einige Templates (z.B. FAQ oder Lead Generation), die du öffnen und ausprobieren kannst, um dir ein besseres Bild von der Systematik zu machen.
  3. Du wirst schnell herausfinden: Jedes Antwort hat einen grünen Punkt, der sich per Drag & Drop mit jedem anderen Frage- oder Textkästchen verbinden lässt. Im Folgenden Bild z.B. würde die Antwortoption «Hoi, finde ich auch» zur Folgefrage «Was möchtest du denn gerne wissen?» führen und der Klick auf «Wie wird das Wetter?» wiederum zum nächsten Kästchen.
  4. Wenn du das mal durchgespielt hast, weisst du schon das meiste, was nötig ist. Du kannst ausserdem Angaben vom User abfragen und wieder ausgeben, gifs und Videos verwenden und direkte Links auf Antwortbuttons setzen. Fange nun an, dein definiertes Thema als Dialogprozess abzubilden. Bei Bedarf, konsultiere hin und wieder eins der vorerstellten Templates, um ein Gefühl für sinnvolle Strukturen und Loops zu bekommen.
  5. Im Preview-Modus kannst du deinen Arbeitsstand testen. Gestalte die Erarbeitung spielerisch, probiere Dinge aus. Es macht Spass, die potentielle Unterhaltung zwischen User und Bot wachsen zu sehen und dem Werkzeug eine Stimme zu geben.

Mein eigenes Beispiel sieht als Prozess wie folgt aus (und als Version zum Durchklicken auf einer eigenen Seite):

Man kann das noch komplexer machen, keine Frage. Das Beispiel ist das Resultat von maximal einem Tag denken und bauen, beim eingangs gesetzten Ressourcenrahmen ist also noch ein bisschen was drin.

Auswerten und lernen

Wenn dein Themenbereich komplett abgebildet ist und du mit deinem Prozess zufrieden bist, suche dir fünf Personen im Unternehmen, die dir kritisches, aber konstruktives Feedback geben können: Bietet das Dialoggefäss einen echten Nutzen? Wie könnte man es verbessern? Was gefällt ihnen schon jetzt daran? Was nicht?

Frage dich aber auch selber: Was hast du beim bauen und beim testen über das Strukturieren von Informationen und über die Denkweise deiner Benutzerinnen gelernt? Wie würdest du jemanden briefen, der ein solches Projekt inhaltlich aufgleisen muss? Wie die technische Umsetzung?

Wenn aus dem Experiment Ernst wird

Falls ihr zum Schluss kommt, dass sich ein Test mit der echten Zielgruppe anbietet: Investiere nochmals einen halben Tag in den Feinschliff, ein paar Dollar in einen zahlenden landbot-Account und nichts wie los. Falls dein Experiment ein erster Baustein in einem grösseren Projekt geworden ist, herzlichen Glückwunsch. Spätestens dann wird jemand wollen, dass die technische Grundlage nochmals seriös evaluiert wird.

Wer eine Programmiererin oder einen Programmierer an seiner Seite hat, kann als Alternative zu einem eher WYSIWYG-orientierten Produkt wie landbot z.B. mit dem Microsoft Botframework arbeiten. Auch Tools wie Manychat oder Chatfuel können zielführend sein. Alle drei Versionen lassen einen beispielsweise auf bestehende Datenbankenzugreifen.

 

Artikelbild: Nathan Dumlao bei Unsplash

Kategorien: Web

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